Es gibt kein Verhalten ohne Emotionen
Was sind Emotionen?
Emotionen sind nicht nur die Gefühle, die wir bewusst erleben, sondern vor allem physiologische Reaktionen, die durch komplexe biochemische und neurologische Prozesse angetrieben werden. Substanzen wie Neurotransmitter, Hormone und Enzyme sowie das Zusammenspiel neuronaler Netzwerke sorgen dafür, dass wir blitzschnell – oft automatisch und unbewusst – auf Reize in der Umgebung reagieren. Warum? Weil Emotionen ein Werkzeug der Evolution sind, das einem Ziel dient: dem Überleben.
Emotionen – Wächter des Überlebens
Überleben bedeutet nicht nur, Gefahren zu vermeiden. Es umfasst die Fähigkeit, zu essen, sich zu bewegen, zu atmen, auf Reize zu reagieren und Nachkommen zu zeugen. Emotionen spielen hierbei eine Schlüsselrolle. Angst schützt vor Gefahren, Freude motiviert zur Erkundung, und Liebe sowie Bindung schaffen Beziehungen, die für die Aufzucht der Jungen notwendig sind. In diesem Punkt bleibt die Biologie traditionell – Überleben bedeutet, für die Zukunft der Art zu sorgen.
Emotionale Systeme nach Jaak Panksepp
Der Neurowissenschaftler Jaak Panksepp identifizierte sieben emotionale Systeme, die das Verhalten von Menschen und Tieren grundlegend bestimmen. Jedes dieser Systeme ist mit bestimmten Gehirnregionen, chemischen Substanzen und Verhaltensreaktionen verbunden. Zwei dieser Systeme – das Suchsystem und das Spielsystem – lassen sich besonders gut bei unseren vierbeinigen Freunden beobachten.
Das Suchsystem
Ein schnüffelnder Hund, der sich völlig auf die Analyse seiner Umgebung konzentriert, zeigt, wie das Suchsystem funktioniert. Sein Ziel ist die Erkundung und das Sammeln von Informationen. In solchen Momenten ist der Hund so fokussiert, dass er nicht bereit für soziale Interaktionen ist, selbst mit seinem Halter. Wenn jedoch gleichzeitig das Angst- oder Paniksystem aktiviert wird, kann das Tier Hilfe benötigen, um sich zu beruhigen. Deshalb ist es wichtig, dass der Besitzer in der Nähe bleibt und beruhigende Techniken anwendet.
Ein häufiger Fehler von Hundehaltern ist, das Schnüffeln des Hundes zu unterbrechen oder ihn zu Blickkontakt zu zwingen. Solche Handlungen können Frustration verstärken und unerwünschtes Verhalten wie Aggression oder Ziehen an der Leine hervorrufen. Die Lösung liegt in Nasenarbeit, die den Hund lehrt, sich zu konzentrieren und eine positive Bindung zum Menschen aufzubauen.
Das Spielsystem
Wenn ein Hund spielt – andere Hunde jagt, Rollen wechselt oder sanft Blickkontakt herstellt – aktiviert er sein Spielsystem. Diese Aktivität stärkt soziale Bindungen, vermittelt Sicherheit und Komfort und fördert das Lernen. Doch das Spielen sollte nicht erzwungen oder mit Jagdverhalten verwechselt werden. Richtiges Spielen bedeutet vor allem, gemeinsam Zeit zu verbringen, in der sich der Hund als Teil der Gruppe fühlt.
Achtsamkeit und Körperbewusstsein
Emotionen sind nicht nur chemische Reaktionen im Gehirn, sondern auch Antworten des gesamten Organismus. Jede Bewegung, jede Muskelspannung und sogar die Art der Atmung beeinflussen, wie wir Emotionen erleben. Dieses Phänomen, bekannt als Propriozeption, ermöglicht es uns, die Position und Bewegung des Körpers zu spüren. Um die Kontrolle über Emotionen zu verbessern, lohnt es sich, das Tempo zu verlangsamen und bewusst Signale aus dem eigenen Körper wahrzunehmen.
Ein Beispiel hierfür sind Achtsamkeitstechniken (Mindfulness), die helfen, Geist und Körper zu beruhigen und den Neurotransmitter Acetylcholin freizusetzen. Diese chemische Verbindung fördert nicht nur die Regeneration, sondern verbessert auch die Konzentrationsfähigkeit und senkt den Puls.
Emotionen in Erziehung und Training
Sowohl bei Menschen als auch bei Tieren sind Emotionen der Schlüssel zum Lernen. Wenn ein Kind oder ein Hund zu aufgeregt ist, kann es sich nicht konzentrieren. Deshalb ist es wichtig, zuerst Ruhe und Sicherheit zu schaffen und dann neue Herausforderungen einzuführen.
Kinder und Hunde, die emotionale Unruhe erleben, können einfache Werkzeuge zur Selbstregulation benötigen. Bei Kindern können dies Metaphern wie ein „leerer Tank“ oder ein „abgestürzter Computer“ sein, die ihnen helfen, zu verstehen, wann sie Ruhe brauchen und wie sie diese erreichen können.
Fazit
Es gibt kein Verhalten ohne Emotionen, denn sie leiten jeden unserer Schritte. Ob wir von Menschen oder Hunden sprechen – Emotionen sind grundlegende Mechanismen für das Überleben und die Entwicklung. Ihr Verständnis ermöglicht es, bessere Beziehungen zu anderen aufzubauen und das eigene emotionale Leben effektiv zu steuern. Diese Fähigkeit zu entwickeln lohnt sich, denn ein Leben im Einklang mit den eigenen Emotionen ist der Schlüssel zu wahrer Zufriedenheit und Harmonie.
Texte: Marta Wieczorek Ciuk @nasza_robinsonada
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